Begleitband zur Ausstellung Jüdisches Leben in Celle nach 1945

Mit dem jetzt von der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit herausgegebenen Begleitband hat die Ausstellung "Jüdisches Leben in Celle nach 1945" noch eine interessante Ergänzung gefunden. Was wir bei der Vorstellung der Ausstellung seinerzeit vermissten (Nr. 27, S. 4-5), findet Platz in den vier Aufsätzen des Bandes: Das Aufeinandertreffen von Überlebenden des Holocaust und der Zwangsarbeiterlager mit der deutschen Nachkriegsgesellschaft war durchaus auch konfliktreich.
Thomas Rahe, der Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen, beschreibt in seinem Beitrag die Besonderheiten der jüdischen DP-Gemeinde in ihrer Zusammensetzung, ihren kulturellen und politischen Aktivitäten, ihren Beziehungen zum DP-Camp Belsen - und ihrem Charakter als "Transitgemeinde" mit dem Ziel der Auswanderung nach Israel oder in die USA. Die Beziehungen von "Displaced Persons", britischer Militärregierung und deutscher Verwaltung waren dabei - bedingt durch die unterschiedlichen Interessen - in hohem Maße konfliktreich. Der Antisemitismus etwa war im Mai 1945 nicht aus der Welt. Rahe nennt führt einige Beispiele an. In einem Bericht zweier us-amerikanischer jüdischer Hilfsorganisationen vom Mai 1946 wird erwähnt, dass an einem der Celler Kinos, eine Notiz angebracht gewesen sei, wonach Juden und Polen hier nicht zugelassen seien. (35). Die Stadtverwaltung z.B. entzog sich dem Ansinnen der jüdischen Gemeinde nach einer Aufstellung über ehemals Juden gehörenden Grundstücken in Celle mit der Behauptung, darüber seien keine Unterlagen vorhanden. (37)

Im Beitrag von Sibylle Obenaus und Sabine Maehnert werden Konflikte deutlich im Umgang der Stadtverwaltung mit zurückkehrenden Mitgliedern der jüdischen Vorkriegsgemeinde. Breiten Raum nimmt in ihrem Aufsatz die Wohn- und Arbeitssituation ein. Die kulturellen und politischen Aktivitäten skizzieren sie über die im Jüdischen Komitee handelnden Personen. Auch hier wird eine Zwiespältigkeit in den Beziehungen zwischen Komitee und Stadt deutlich, die in der Ausstellung so nicht zum Tragen kommt.

Joachim Piper und Rainer Voss nähren sich in ihrem Aufsatz der "Transitgemeinde" über statistische Auswertungen und exemplarische Schicksale in ihrem Kommen und Gehen. Ralf Busch schließlich rekonstruiert eine Konzertreise von Yehudi Menuhin und Benjamin Britten durch die norddeutschen DP-Lager, die im Sommer 1945 "im Grunde ... eine surrealistische Mischung aus Horror und Normalität" (Busch) war.
Der Begleitband liefert vielschichtig Hintergründe zur jüdischen Gemeinde in Celle nach 1945, die in der Ausstellung nur angerissen werden konnten, und er geht auf Konflikte ein, deren Benennung die Ausstellung eher ausweicht.

Die Ausstellung ist übrigens noch bis zum 30.12. zu sehen - und zwar dienstags bis donnerstags von 12 bis 17, freitags von 9 bis 14 und sonntags von 11 bis 16 Uhr.

Aus: revista, Nr. 29, Dez./Jan. 2005/06, S. 19

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